Seit ca. 2 Monaten wurde das Verfügbarkeitsgebiet des E-Roller-Anbieters Lime in meiner Heimatstadt erweitert. Nun kann auch ich es bis in meinem etwas außerhalb liegenden Stadtteils nutzen. Ich habe mir die Frage gestellt, ob das auch etwas für mich ist und einen kleinen Selbstversuch gestartet:
Ich hatte noch eine schnelle Erledigung in der Innenstadt umzusetzen. Dieses nahm ich zum Anlass das Angebot von Lime zu testen. Als erstes habe ich mir ein Konto angelegt und dieses mit einem Zahlungsmittel versehen. Damit konnte es eigentlich schon losgehen.
Ein Roller stand in zirka 350 m Fußweg zur Verfügung und hätte gebucht werden können. Allerdings bekam ich ein Popup, was mich auf die Abo-Möglichkeit hinwies. Aber mal von vorne: Die Nutzung des Gefährts wird nach Minuten mit 0,22 Euro verrechnet. Die Freigabe des fahrbaren Untersatzes kostet eine Gebühr von 1 Euro pro Aktion. Aktuell gibt es einen Test-Monat bei dem man diese Gebühr sparen kann. Nach Ablauf der Testphase kostet diese Option 5,99 €. Außerdem kann man sich den Roller statt 15 Minuten bereits 30 Minuten vor der Nutzung reservieren. Hört sich doch ganz vernünftig an und wurde gebucht.
Beim Blick auf das Handy wollte ich mir nun den bereits ausgesuchten Roller reservieren. Das war allerdings nicht möglich, da er nicht mehr zur Verfügung stand. Das sollte das Experiment aber nicht stören. Ein anderer Roller mit entsprechender Reichweite stand mit ungefähr 1,2 km weiter weg. Also Helm unter dem Arm und los.
Der reservierte Roller stand an einer großen Kreuzung mit einem weiteren Gefährt. Unter dem QR-Code, der zum Start der Fahrt gescannt werden muss, stand die Kennung. Mit dieser konnte das Zweirad gefunden werden. Man kann über die App den Roller „klingeln“ lassen, was sich aber eher nach einem Alarm anhört.
Nun noch den Helm aufsetzen und rauf auf das Gerät. Nach dem man sich mit einem Fuß abgestoßen hat, kann man die Elektronik aktivieren. Mit bis zu 20 km/h ging es nun in Richtung Innenstadt. Ich hatte mir einen Weg mit potentiell wenig Verkehr überlegt. Dieser funktionierte zum Glück wirklich gut.
Was generell ein Nachteil bei den Rollern ist, sind die kleinen Reifen. Im Gegensatz zum Fahrrad merkt man deutlich mehr den Untergrund und Unebenheiten. Auf Schlaglöcher oder Kanten von Bordsteinen muss deutlich mehr geachtet werden. Der bereits angesprochene Untergrund beeinflusst sehr stark das Fahrgefühl und die Stabilität. Ich musste eine kurze Strecke über Kopfsteinpflaster fahren, was nicht wirklich möglich war. Weiterhin machte ich auf einer gepflasterten Strecke die Erfahrung mit einer dauerhaften Vibration, welche durch den gesamten Körper ging. Dieses war ein sehr unangenehmes Gefühl. Eine weitere Entdeckung musste ich machen, als ich einen Radfahrer (ver)folgte. Wir fuhren auf einem Radweg über denen Bäume hingen. Mir fiel es erst auf, als diese meinen Kopf fast streiften, dass ich auf dem Roller stehen höher war als der Vorrausfahrende. Was man auch nicht unterschätzen darf ist der erforderliche Gleichgewichtssinn. Durch die kleineren Reifen und dem niedrigen Schwerpunkt des Akkus ist es in manchen Momenten und meist beim Anfahren eine wackelige Angelegenheit. Zumindest die ersten paar Anläufe sind gewöhnungsbedürftig. Dazu tragen die bereits beschriebenen Streckencharakteristika natürlich bei.
Ich kam nun an meinem Ziel an und wollte den Roller abstellen. Leider teilte mir die App mit, dass ich an meiner aktuell Position mich in einer Parkverbotszone befinde und den Roller weder parken noch die Fahrt beenden könne. Zum Glück musste ich nur 450 Meter weiter rollen, um die Fahrt zu beenden. Die Strecke wurde beendet und ich bekam neben der verbrauchten Zeit auch die Kosten angezeigt. Dazu später mehr.
Ich erledigte meinen Grund der „Reise“ und suchte mir den nächsten Roller. Selbstverständlich hätte ich den bereits genutzten Roller auch mit der Parkfunktion wieder aktivieren können. Leider reichte allerdings die beim Beenden angezeigte Rest-Kilometerlaufzeit nicht aus, um nach Hause zu kommen. Zusätzlich war dieser auch entweder bereits in Nutzung oder zumindest reserviert. Ich fand einen Roller in 350 Metern in entgegen geplanter Fahrtrichtung mit passender Akkupower.
Bei diesem reservierten Gefährt angekommen, versuchte ich die Start-Buchung vorzunehmen. Dieses gelang mir leider nicht und ich konnte eine Störung melden. Also den nächsten fahrbaren Untersatz aus der App herausgesucht. Leider war im näheren Umkreis keiner mit einer gesicherten Laufleistung bis zu meinem geplanten Ziel zu bekommen. Darum nahm ich einen in der Nähe verfügbaren und wollte damit mein Glück versuchen.
Ich plante meine Rückroute so, dass ich an einem Punkt vorbei kam, wo ich a) noch auf 2 weitere Roller zurückgreifen könnte und b) zur Not einen erträglichen Fußmarsch bis nach Hause machen könnte. Also angeschoben und die Energie aus dem Akku gedrückt. Nach Plan fuhr ich einen ganz schmalen gemeinsamen Geh- und Radweg auf dem ich sonst auch mit dem Rad fahre. Heute hatte ich allerdings bei Gegenverkehr ein deutlich mulmigeres Gefühl und „sprang“ auch 2 mal ab. An einer Abzweigung fuhr ich einen kleinen Umweg über eine verkehrsberuhigte Straße, damit ich nicht weiter auf dem Pättken fahren musste. [Erläuterung: Pättken ist ein mundartlicher, speziell vor allem Münsterländer Ausdruck für einen kleinen Pfad]
Nun kam der geplante Ort, wo weitere Roller geparkt sein sollten. Von den beim Start der Rückreise noch angezeigten 3 Rollern war nur einer auffindbar. Dieser zeigte in der App allerdings deutlich mehr Reichweite als mein aktuell genutztes Vehikel. Dort zeigte mir das neuere Modell nur noch 4% Akku an. Also wurde die Fahrt beendet und der neue Roller gebucht. Mit dem sollte ich definitiv bis zum Ziel kommen. Dieses funktionierte auch tadellos. Ich parkte den Roller und bekam meine Abrechnung in der App sowie als Mail.
Kommen wir zur nun Abrechnung. Aufgrund der 2 unterschiedlich gefahrenen Wege und Fußstrecken nehme ich 11 km als Grundlage zur Berechnung für den E-Scooter. Mit dem PKW liegen der selben Strecke 5,5 km zum Vergleich. Selbstverständlich könnte man diese Route auch mit den Rollern nutzen, was aufgrund der Verkehrssituation deutlich gefährlicher wäre. Ich habe zusätzlich den Vorteil, dass eine Bushaltestelle nur 150 Meter vor meiner Haustür vorhanden ist und mich ebenfalls an dieses Ziel gebracht hätte.
Mit dem Auto komme ich somit auf eine Benzin-Abrechnung von 3,14 €. Parkkosten wären bei dieser Erledigung nicht entstanden, da man hier auf den meisten Parkflächen 30 Minuten kostenfrei parken darf. Für den Bus hätten 2 Einzelfahrscheine und somit die teuerste Nutzung des ÖPNV 5,60 gekostet. Dagegen kommt die elektro-unterstützte zweirädrige Akku-Platte mit Lenker einfach nicht gegen an.
Mir wurden für 9,5 Kilometern auf 3 Fahrzeugen bei 43 Minuten Fahrzeit 9,46 Euro berechnet. Ich hatte nun noch das Glück des abgeschlossenen Test-Abo-Models, so dass ich 3 weitere Euro für die Fahrzeug-Nutzung eingespart habe.
Bevor ich diesen Beitrag nun tippe, fiel mir noch ein weiterer Punkt in der App auf: Flatrate Pakete. Da ist es zum Beispiel möglich für 6,99 Euro eine Stunde Fahrzeit pauschal zu kaufen. Auch hierbei steht einem die 30 minütige Vorreservierung zu Verfügung und die Freischaltgebühr muss ebenfalls nicht entrichtet werden. Das merke ich mir als Alternative und kündige direkt das Probe-Abo. Was ich nett finde, ist die weitere Nutzbarkeit bis zum letzten Tag des Testzeitraums.
Mein persönliches Fa(hr)zit:
Ich glaube, es ist eine Bereicherung für Groß- und Innenstädte. Bei dem Preismodell muss einem bewusst sein, dass rote Ampeln Geld kosten. Entsprechend könnte das bei dem einen oder anderen „Roller-Piloten“ auch Auswirkungen auf den Fahrstil haben. Ich hatte mir die Roller-Situation vor dem Test ein paar Tage beobachtet. Im Umkreis vom 1,5 Kilometern stand immer ein Roller zur Verfügung, so dass man zumindest von einem Ausgangspunkt zu einem größeren „Roller-Parkplatz“ hätte kommen können, um seine Reichweite zu erweitern.
Man muss genau schauen, ob am Ziel auch die Möglichkeit besteht, das Gefährt zu stoppen. Dabei ist es egal, ob als Pause oder Fahrtende. Ich hatte in meiner Planung vor, mir noch einen Kaffee unterwegs zu trinken, was aufgrund der Verbotszonen nicht funktionierte.
Wie ich bei meiner eigenen Testfahrt gemerkt, müssen die Roller nicht funktionieren bzw. können auch defekt sein. Zusätzlich kann man immer nur einen Roller reservieren. Somit ist ein Umstieg auf einen anderen Roller immer ein kleines Wagnis. Zusätzlich stehen oder liegen die Roller immer draußen und können auch von vielen Menschen „genutzt“ werden. Ich habe mir vor und nach der jeweiligen Nutzung die Hände sowie die Lenker mit einem Desinfektionstuch gereinigt.
Preislich ist es überhaupt keine Alternative. Zeitlich wäre es nur beim ÖPNV per Bus, da dieser nicht so flexibel ist und auf den Streckenmöglichkeiten teilweise länger benötigt. Zum Auto ist der E-Roller keine Konkurrenz. Zusätzlich kennt man die Betriebsfähigkeit sowie die Sauberkeit.
Ergebnis:
- Wenn man zu faul ist in der Innenstadt zu laufen. = Parkverbotszonen beachten
- Notlösung auf einem Spaziergang vor dem Wetter = Ortsrandlage beachten
- Für den Spaß ein teures Unterfangen